Säugetiere

Fragen wir bei Afrikareisenden nach, welche Tiere sie unbedingt sehen möchten, dann stehen Antilope, Stachelschwein & Co eher selten oben auf der Wunschliste. Doch was wäre Afrika ohne seine riesigen Gnuherden? Nirgendwo finden wir große Säugetiere in größerer Vielfalt und Anzahl. Seit abertausenden von Jahren ist die Wanderlust der über 1,3 Mio. Gnus zwischen der Serengeti (Tansania) und der Massai Mara (Kenia) ungebrochen. Mit etwas Glück lassen sich Ansammlungen von einigen hunderttausend grasenden Gnus und Zebras auf einem Fleck beobachten.

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Ein Bild, das vom unverwechselbaren wohligen Gnu-Sound begleitet wird. Ein herrlicher Mix von Tönen. Weibchen schnauben und grunzen, Jungtiere blöken und die Männchen geben quakende Laute von sich. Begegnungen, die einen verstummen lassen. Wir fahren in der Gegend des Mara Rivers stundenlang umher und können uns nicht satt sehen. Für kurze Zeit sind Löwe & Co vergessen.

Wir sind immer wieder aufs Neue über den Start einer Wanderung verblüfft. Tausende Tiere stehen grasend in der Savanne. Plötzlich löst sich ein Gnu aus der Herde, ein zweites und drittes folgen ihm im „Gänsemarsch“. Es bildet sich eine „Gnu-Line“. Nach und nach löst sich die grasende Herde auf und zieht als Line zum nächsten Fressplatz. Kommt es zu Störungen, beispielsweise durch Raubtiere oder menschliche Einflüsse, dann reißt die Line ab, es kommt zum Stau. Die in der Line nachfolgenden Tiere sind für einige Minuten desorientiert. Doch kurze Zeit später finden auch sie wieder Anschluss an den Rest der ziehenden Herde.

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Besonders eindrucksvoll ist jedoch das Schauspiel, wenn sich große Herden am Ufer eines Flusses stauen. Der Beobachter harrt oft Stunden aus und hofft sehnsüchtig auf eine Flussdurchquerung. Immer mehr Tiere versammeln sich am Ufer. Die Staubwolken werden dichter. Neuankömmlinge drängen von hinten zum Wasser, in dem riesige Krokodile auf eine Mahlzeit lauern. Wenn ein Gnu springt, ist der Bann gebrochen und viele seiner Artgenossen folgen. Es passiert aber auch, dass sich die Ansammlung auflöst und das stundenlange Warten nicht belohnt wird. Dann bleibt nur die Hoffnung auf ein Später.

Unser lang ersehnter Wunsch ist es, eine Flussdurchquerung der Gnus und Zebras zu erleben. EINMAL diesem grandiosen Naturspektakel beiwohnen! Unsere größte Gnu-Guppe besteht aus nur 600 Tiere. Und diese haben sich eine steinige, wenngleich relativ flache Stelle am Flussufer für die Querung ausgesucht. Dafür gibt es dort Stromschnellen. Eines der Gnukälber wird von der Strömung erfasst und hat Probleme, das Ufer zu erreichen. Seine Mutter kommt ihm Zuhilfe. Eine tödliche Entscheidung. Das Kalb rettet sich letztendlich doch ans Ufer, aber die Mutter wird von einem der lauernden Krokodile erfasst, unter Wasser gezogen und ertränkt. Da Gnus keine Kinder adoptieren, ist auch das Schicksal des Kalbs besiegelt. Trotz solcher Erlebnisse hat die  Migration einen hohen Suchtfaktor. Für uns steht fest: die Gnus am Mara River werden uns wiedersehen.

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Ein ständiger Begleiter auf unseren Fotoreisen sind Flusspferde. So ein Hippo zählt zu den schwersten landbewohnenden Säugetieren und wirkt mit seiner Körperlänge bis zu 5 Metern und seinem runden Leib recht unbeholfen. Wie sie da so friedlich im Wasser oder am sandigen Flussufer dösen, fällt die Vorstellung schwer, dass sie bis zu 50 km/h Speed in die Beine kriegen. Es bedarf nur eines Anlasses. Aber dann!

Wehe, man steht unbedarft an einem mit Wasserhyazinthen übersäten Wasserloch und fotografiert entspannt, ohne auf den unbewohnt wirkenden Nachbartümpel zu achten. So schnell, wie sich ein einsames, schlechtgelauntes Hippo in unsere Richtung aus dem Wasser schraubt, so viel Zeit bleibt dem Fliehenden gerade noch, um die Böschung zu erklimmen. Das aufgerissene Maul mit den hauerartigen Eckzähnen und die aggressiven Töne lassen keinen Zweifel am Unmut des Schwergewichts. Meist handelt es sich dabei nur um Scheinangriffe, wie auch in diese Fall. Doch diese sind nicht minder eindrucksstark und lehrreich. Uns reicht die Vorstellung. Wir haben die Message verstanden.

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Es bleibt an diesem Tag nicht das einzige Hippo-Erlebnis.  Mit 50 km/h jagen wir über das offene und sehr unebene Gelände. Wir wollen pünktlich zum Lunch im Camp sein. Seit 30 Minuten versuchen wir unseren Guide davon zu überzeugen, dass mit einem der Hinterräder etwas nicht stimmt. Ohne Erfolg. Dann passiert es: wir haben nur noch 3 fixe Räder unter uns.

Riesen Glück im Unglück: Wir halten gerade vor unserem Fluss, den wir immer queren müssen, wenn wir das Camp erreichen und wieder verlassen wollen. Das geschieht vier Mal pro Tag.  So auch heute. Doch vor der Wasserfahrt borgen wir uns Radmuttern von einem anderen Wagen, montieren das Rad und beginnen dann mit der Flussdurchquerung. Dabei begrüßen wir eine Gruppe Hippos, die unweit von der Querungsstelle wohnt. Ihre Exkremente zieren die Wasseroberfläche. Diese befindet sich nur 30 cm unter unserem Fenster. Der Wagen hoppelt über die Steine im Fluss. Wir schließen vorsichtshalber die Fenster. Die Duftwolke ist mächtig. Uns schießt ein lähmender Gedanke durch den Kopf: Was, wenn wir das Rad eine Minute später, nämlich mitten im Fluss verloren hätten???? Wer wäre hier ausgestiegen? Wir nicht!

Ebenfalls ein unvergessliches Erlebnis ist eine Ballonfahrt über der Mara. Wir starten im Dunkeln. Die Sonne erobert nach und nach den Horizont und taucht die Landschaft in ein warmes Licht. Der Blick schweift immer wieder über die unendliche Weite. Der Ballon gleitet lautlos über die grasenden Herden hinweg. Einfach nur schön.

Leider geht auch diese Reise einmal zu Ende. Aber: Wir kommen zurück!

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