England

Wer möchte gerne ins verregnete England, wenn er ins warme Afrika reisen kann? Wir jedenfalls nicht. Wenn da nicht unsere Lieblingsvögel wären. Aus Liebe zu ihnen zog es uns ins wasserreiche England. Der Tag unserer Ankunft ist ein geschichts-trächtiger Tag für England. Das Volk beschließt den Austritt aus der Europäischen Union. Diesen Gedanken verdrängen wir bis zu unserer Heimreise. Uns zieht es nach Skokholm ins Vogelparadies, einer sehr kleinen Insel vor der Küste von Wales, bewaffnet mit Proviant für eine gute Woche und mit dem Wissen, ohne Dusche, WC und Heizung auskommen zu müssen. Strom und warmes Wasser sind nur während der Sonnenstunden verfügbar. Hoffentlich regnet es nicht allzu oft!

Wir sind noch nicht gelandet, da empfangen uns bereits unsere gefiederten Lieblinge – die geselligen Papageientaucher.

Uns erwarten ereignisreiche Tage in tierischer Gesellschaft von ca. 22.000 Vögeln und täglich 12 Stunden Fotoarbeit. Urlaub sieht für viele Menschen wahrscheinlich anders aus.

Wir nutzen jede Minute Sonnenschein, denn es kommt wie befürchtet. Es gießt oft in Strömen, die Sonne macht sich rar. Dafür die kleinen Papageientaucher nicht. Für uns sind sie tollpatschig anmutende Gesellen, die oft tapfer ihren Fischfang für ihre Jungen gegen die brutalen Angriffe der Albatrosse verteidigen. Dabei hilft ihnen nur ihre Geschwindigkeit.

Ihren Mut beweisen sie auch uns gegenüber. Neugierig nähern sie sich uns auf Tuchfühlung. Nichts entgeht ihrem Forscherdrang: Stative, Schuhe, Rucksäcke werden mit den robusten Schnäbeln auf Geschmack und Reißfestigkeit getestet. Sie wirken dabei maximal entspannt.

Wir hingegen sind während solcher Momente sehr angespannt. Wer schon mal einen Papageientaucher beim Toilettengang beobachtet hat, der kennt unsere Sorgen. Es geschieht sehr plötzlich und es sind ordentliche Mengen in einer sehr flüssigen Konsistenz, die mit Hochdruck verteilt werden. Wir haben Glück.

Für uns ein trauriger Gedanke, dass seit 2015 auch diese Tiere zu den gefährdeten Arten zählen.

Wir sind dankbar, dass wir sie hautnah in ihren Kolonien erleben und fotografieren dürfen. Das ist nur während der Brutzeit im Sommer möglich. Die restliche Zeit leben sie auf dem offenen Meer, wo sie den Naturgewalten trotzen müssen. Welche Konsequenzen Stürme haben können, erfahren auch wir bei unserer Rückkehr an die Küste. Unser Zelt liegt am Boden, die Glasfieberstäbe gebrochen, die Heringe verstreut, der Stoff gerissen. Doch Aufgeben gibt es für uns nicht. Unsere Reparaturarbeiten dauern etwas, bewähren sich jedoch für die restlichen, leider zu oft regnerischen Tage.

Vor der Reise hatten wir Bedenken wegen des Linksverkehrs und unserer deutschen Autoausstattung: Steuer links. Doch das geht prima. Die Herausforderung sind die einspurigen Küstenstraßen in Wales. Rückwärts-fahren in kurvigen Bereichen will gelernt sein, wenn es plötzlich Gegenverkehr gibt.

Nach England sind wir nur wegen unserer Begeisterung für die Papageientaucher gereist. Doch vor Ort entdecken wir so viel mehr Sehenswertes. Vor allem faszinieren uns die Küstenlandschaften in und um Pembrokeshire. Es gibt herrliche Naturbrücken, von den Wasser-massen umspült. Hoch oben in den Steilwänden und vorgelagerten Felsen brüten zig tausend Trottellummen und Tordalken. Beide erinnern uns in ihrer Gestalt an (flugfähige) Pinguine.

Wen wundert es, dass wir bereits im folgenden Jahr wieder Wales mit seiner einzigartigen Vogelwelt und der wundervollen Natur bereisen. Diesmal mit erweitertem Programm: die nördliche Ostküste mit ihren großartigen Kreidefelsen, der größten Tölpel-Brutkolonie Europas und der  idyllischen Grafschaft Yorkshire.

Das Leben der Tölpel-Familien mit ihrem Jungen ist eine lautstarke Angelegenheit. Da wird nach Futter gebettelt, sich gerne mit den Nachbarn gezankt und nach Herzenslust geturtelt.

In der Kolonie, die sich über mehrere hohe Klippenabschnitte erstreckt, ist richtig was los. Am lustigsten finden wir die Gaffer. Sie segeln über den Nestern ihrer Artgenossen und schauen sich aus 1-2 Meter Höhe in aller Ruhe deren Nestleben an. Das passt den Nestbesitzern nicht immer. Und schon gibt es Zoff.

Wir verbringen einige Tage damit, das spannende Leben der Tölpel zu beobachten und sind uns schnell einig: Verhaltensweisen wie in einer Vorstadtsiedlung in Deutschland.

Im Flug sind die majestätischen Vögel ein traumhafter Anblick. Der Wind kann ihnen nichts anhaben. Sicher und ruhig ziehen sie ihre Bahnen am Himmel. Tölpel ohne ein reinweißes Federkleid sind noch keine 4 Jahre alt und noch nicht geschlechtsreif.

Inzwischen besuchen wir England und Wales mit der einmaligen Insel Skokholm wieder und wieder. Das Vogelparadies hat für uns extrem hohes Suchtpotenzial.

EnglandHerzog
  • 0
  • 1.5 K
Copy Protected by Chetan's WP-Copyprotect.