Indien

Nagaland – Heimat der Kopfjäger im Nordosten von Indien, wo es am wenigsten indisch ist. Dort, wo die traditionelle Kopfjagd noch bis vor ca. 50 Jahren ausgeübt wurde, trotz Verbote. Die alten Kopfjäger leben heute noch. Auch beim Volk der Konjak-Naga. Sie haben charaktervolle Gesichter, zerfurchte Hände, kauen Betelnüsse und tragen ihre traditionelle, bunte Kleidung. Auffällige Tätowierungen im Gesicht und  auf der Brust beweisen, dass ihr Träger einst erfolgreich auf Kopfjagd gegangen ist. Die Kette mit den goldfarbenen Köpfen um den Hals verweist auf die Anzahl der getöteten Feinde. Wir starren auf die Ketten und schauen in die Gesichter der alten Männer. Sie sehen so „harmlos“ aus. Wenn in Deutschland jemand 5 Menschen getötet hat, bezeichnet die Presse ihn als Massenmörder. Doch hier gelten andere Maßstäbe.

Wer einen Schädel nach Hause brachte, hatte Aussicht auf eine Frau und auf Fruchtbarkeit für Mensch und Felder. Beeindruckend ist der prachtvolle Schmuck der Männer. Mit den Federn des Doppelhornvogels durften sie sich erst schmücken, wenn sie ihren ersten Kopf erbeutet hatten. An den Armen trägt der Konyak-Krieger Elfenbein-Armreife, sein Kopfschmuck zieren Wildschweinhauer, seine Ohren durchbohren schwarze Ziegenhörner. Sehr imposant!

Wir sind sehr neugierig auf die Begegnungen mit Menschen aus einem Kulturkreis, in dem heute neben Kopfjägern auch noch vereinzelt Schamanen leben. Sie haben in Indien Berufsverbot.

Für uns Mitteleuropäer mag es sehr grausam erscheinen, anderen Menschen die Köpfe abzuschlagen. Doch das Kopfabtrennen erfolgte stets mit Respekt vor dem Feind. Sie fragten den Betroffenen erst nach seinem Namen, bevor sie ihn enthaupteten. Der Name des Feindes wurde dann an eines der eigenen Kinder weitergegeben. Ob das wohl für den Kopflosen einen Unterschied gemacht hat?

Nach dem Glauben der Naga sind in den Köpfen die Geister der Toten. Die Schädel von ihren Widersachern, aber auch von verehrten Ahnen wurden unlängst noch in den Häusern der Männer oder auch in heiligen Banyanbäumen aufbewahrt. Inzwischen ist diese Tradition verboten und es werden nur noch Tierschädel ausgestellt. Dennoch treffen wir in Dörfern in sogenannten Morungs noch auf nennenswerte Ansammlungen von Totenschädeln. Für uns ein unheimlicher Anblick und es stellt sich unweigerlich die Frage: Feind oder Ahne?

Heute ist die Kopfjagd verboten. Die Nachkommen wissen, dass Töten falsch ist. Doch bei uns entsteht der Eindruck, dass die Alten nach wie vor stolz auf Ihre Vergangenheit und damit auf Ihre Kultur und Traditionen sind. Diese Männer sind heute zwischen 80 und 100 Jahre alt. Nicht mehr lange und diese Zeitzeugen – und damit auch die alten Kulturen – sterben aus. Heute bezeichnen sich mehr als neunzig Prozent der Naga als Christen. In der Vergangenheit überzeugt oder gezwungen zum christlichen Glauben durch Missionare und Kolonialisten.

Wir empfinden die Begegnungen mit diesen Menschen und den Einblick in ihre Vergangenheit als ein wertvolles Geschenk und werden uns auch dann noch an die letzten Kopfjäger und Schamanen bei den Naga erinnern, wenn diese nicht mehr unter uns weilen. Dank an Robert, der diese Erfahrungen für uns möglich gemacht hat.         

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