Kulturvölker

Afrika – ein faszinierender  Schmelz-tiegel der Kulturen! Allein in Tansania leben 130 verschiedene ethnische Gruppen, die ihre eigene Sprache sprechen. In Kenia sind es immerhin 52. Das ergibt zwangsläufig einen sehr bunten Kulturmix. So kunterbunt ist oft auch das Straßenbild: völlig überladene Transportmittel, Schafe neben Männern im Anzug, Massai im traditionellen Gewand hinter dem Lenkrad eines Jeeps, Benzin-Zapfsäulen, die per Generator betrieben werden.

Es gibt kaum etwas, das es nicht zu sehen gibt. Doch am meisten hat uns der Besuch von der Familie eines Freundes bewegt – mitten in Ostafrika, mitten im Nichts, fernab von touristischen Aktivitäten.

Den letzten Meter Asphalt haben wir vor 3 Stunden gesehen. Vorbei an saftigem Weideland und runden Lehmhütten nähern wir uns nun einem Dorf, das noch nie zuvor ein hellhäutiger Mensch besucht hat. Wir fühlen uns ein wenig wie Mr. Armstrong bei seiner Mondlandung. Wir nutzen die Zeit, um noch etwas Nandi zu lernen, die für diese Gegend dominierende Sprache. „Guten Tag“, „Auf Wiedersehen“ und „Wie geht es dir“ sind schnell gepaukt, aber „Mein Name ist…“ und „Ich komme aus …“ gestaltet sich etwas schwieriger. Wir legen uns einen Spickzettel nach alterprobter Schulmanier des letzten Jahrhunderts an, verwerfen den Plan jedoch wieder. Zu auffällig. Wir notieren uns die schwierigsten Wörter auf unseren Handinnenflächen. So aufgeregt waren wir das letzte Mal zur mündlichen Matheprüfung. Unser Freund versucht uns zu beruhigen. Er hat sichtlich Spaß an unserer unent-spannten Körperhaltung.

Wir steigen aus dem Fahrzeug und treffen zuerst auf eine Cousine mit ihrem Nachwuchs. Bei unserem Anblick fängt das kleine Mädchen fürchterlich an zu schreien. Die weiße Hautfarbe hat es erschreckt. Dann kommen die Brüder auf uns zu. Unsicherheit auf beiden Seiten. Doch als uns die Mutter überschwänglich begrüßt und wir unsere Nandi-Sprachkenntnisse zum Besten geben, herrscht allgemeine Heiterkeit. Auch die Großmutter mit ihren 80 Lenzen heißt uns willkommen. Sie spricht allerdings nur Nandi. Doch wo ist der Herr des „Hauses“? Dieser besucht gerade eine seiner anderen beiden Ehefrauen. Wir schauen etwas irritiert. Mit diesen hat er zusammen 13 Kinder, davon 11 Söhne. Eine Fußballmannschaft!

Zur Feier des Tages wird ein Huhn geschlachtet. Strom? Fehlanzeige. Aus dem Huhn wird von der Mutter über einem Feuer in der Lehmhütte eine Hühnerbrühe gezaubert. Als Beilage gibt es Ugali, eine Art Maisbrei. Das Trinkwasser kommt aus einem Brunnen. Es gibt frisch gebrühten Tee, mit leckerem Holzkohlearoma. Die nächste Herausforderung nach der Sprach-prüfung ist Essen mit den Fingern. Damit haben wir deutlich größere Schwierigkeiten. Zum gemeinsamen Mahl haben sich noch Nachbarn eingeladen. Sie wollen sich die „weiße Attraktion“ nicht entgehen lassen. Außer der Großmutter und der Mutter können alle Anwesenden etwas Englisch. Da haben wir Glück. Vor dem Essen wird ein Wasserkrug zusammen mit einer Schüssel zum Händewaschen herum gereicht. Zu spät fallen uns die Notizen auf den Innenhandflächen ein. Nun ist ein gutes Gedächtnis gefragt!

Von der Gastfreundschaft und dem einfachen Leben der Familie sind wir sehr beeindruckt. Wir hoffen auf eine Möglichkeit, sie bald wieder zu besuchen. Bis dahin werden wir ein paar Worte mehr Nandi können. Dann ist auch das Händewaschen unkritisch.

Der Fotoapparat blieb während dieser paar Stunden im Fahrzeug. Uns bleiben die Erinnerungen an eine sehr ursprüngliche und warmherzige Begegnung mitten in Afrika.

Solch herzliche Begegnungen genießen wir auch im arabischen Raum, in Jordanien. Jedoch gibt es hier eine deutlich größere Sprachbarriere. Viele Locals sprechen kein Englisch und wir kein Arabisch.


Hier überrascht uns vor allem die Neugier und auch Offenheit der Frauen. Bei einem Gläschen Pfefferminztee werden wir regelrecht ausgefragt. Sie sind erstaunt, dass es in Deutschland möglich ist, dass eine Frau Staatschef wird, und dass dieser regelmäßig vom Volk gewählt wird. In einem Land, in dem es immer einen König und damit eine Monarchie gegeben hat, eine ungewöhliche Vorstellung. Wir müssen ihnen das mit der Demokratie und den Wahlen im Detail erklären. Immer wieder fragen sie nach. Dabei erzählen sie auch von ihrem alten König, den sie sehr schätzen, weil er viel für das Volk tut. Sein Sohn ist leider anders. Er liebt teure Sportwagen und andere kostspielige Freuden. Das Volk ist ihm egal. Sie blicken besorgt in die Zukunft. Irgendwann wird er König sein. Bei uns in Deutschland gefällt ihnen  besonders der Gedanke, dass Frauen die gleichen Rechte wie die Männer haben. Eine verrät uns, dass sie drei Kinder hat und sich ihr Mann einen ganzen Stall davon wünscht. Sie winkt energisch ab: Drei Kinder sind genug, ein viertes wird es nicht geben, da passt sie schon auf und lacht. Sie hat neben dem Nachwuchs noch einen kleinen Laden für Touristen zu managen und sagt, damit hätte sie ausreichend Beschäftigung. Ihr Mann glaubt, die Kindererziehung regelt sich von alleine und so ganz nebenher. Sie winkt erneut energisch ab. An dieser Stelle der Unterredung müssen wir lächeln, denn diese Denke möchten wir auch bei einigen deutschen Männern nicht ausschließen. Eine andere Frau betritt den Raum, es ist ihre Schwester. Sie interessiert sich vor allem für unser Privatleben. Ob wir beide ganztags arbeiten gehen und was wir beruflich machen. Sie ist begeistert, als wir von unserem Leben erzählen und dass wir beide jede Entscheidung gemeinsam treffen. Das wünscht sie sich in ihrer Ehe auch. Wir sind sehr skeptisch, dass dieser Wunsch in naher Zukunft in Erfüllung gehen wird. Von diesen Gesprächen führen wir während unserer Reise durch Jordanien einige. Sogar mit einem jungen Beduinen, der allerdings erst nach Stunden zugänglich wird. Er wurde in der Wüste in einem Beduinenzelt geboren, hat aber eine EMail-Adresse. Wir fragen nicht, wo der Computer steht oder sein Handy ist. Von sieben Geschwistern ist er mit 28 Jahren der einzige, der nicht verheiratet ist. Er scheint mit dieser Situation nicht glücklich zu sein. Leider spricht er nicht über die Gründe. An der Optik kann es aus unserer Sicht nicht liegen.

Er interessiert sich sehr für Weltpoitik und wir erfahren abends am Feuer beim Essen viel über die politische Lage im arabischen Raum. Wir sind überzeugt, dass er irgendwo stehen muss, der Computer. Und irgendwo muss es auch eine Steckdose geben. Eine Tageszeitung gibt es hier in der Wüste jedenfalls nicht.

Per Bus und mit Reiseleiter sind solche intensiveren Begegnungen wohl eher nicht möglich. Auch ein Grund, warum wir immer sehr individuell reisen.   

KulturvölkerHerzog
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